Freundeskreis Glas e.V. Boffzen besucht Bad Driburg – Ein Beitrag von Uwe Spiekermann

Bekannte Marke bis heute: Leonardo – klingt italienisch, ist aber aus Bad Driburg. Foto: Stefanie Waske

Kolonnenverkehr in Bad Driburg: In gleich fünf Autos hatten sich am gestrigen Samstag achtzehn Glasfreunde von Boffzen aufgemacht, um das dortige Glasmuseum zu besuchen und anschließend ins nahegelegene Walddorf Siebenstern zu fahren. Vorsitzender Walter Waske hatte zuvor mit seiner Ehefrau Brigitta alles genau ausgekundschaftet und vorbereitet – gutes Frühsommerwetter kam hinzu.

Offene Türen im Glasmuseum Bad Driburg, ehemals die „Alte Vikarie“. Fotos: Uwe Spiekermann

Das von den Mitgliedern des Fördervereins Glasmuseum Bad Driburg e.V. betreute Museum ist das Ergebnis ehrenamtliches Engagement. 1987, nach dem Ende der Glasproduktion vor Ort, begann man mit ersten Ausstellungen, seit 2006 bietet das in städtischem Besitz befindliche, mehr als 120 Jahre alte Backsteinhaus einen festen Anlaufpunkt. Auf drei Etagen finden Besucher vielgestaltige Einblicke in die wechselhafte Glasgeschichte der am Rande des Egge-Gebirges liegenden Mittelstadt.

Ein Blick auf die ehemaligen Glashütten-Standorte in Bad Driburg. Foto: Uwe Spiekermann

Friedhelm Macke, der auf ein langes und erfolgreiches Berufsleben in der Bad Driburger und dann in der Marsberger Glasindustrie zurückblicken kann, präsentierte eingangs die wichtigsten Stationen der lokalen, in der frühen Neuzeit vor allem durch Waldglashütten geprägten Geschichte. Wie in Boffzen, führte der 1864 einsetzende Eisenbahnverkehr zu neuen größeren Fabriken: Vor dem Ersten Weltkrieg dominierten die 1866 eröffnete Friedrichshütte, das 1906 vom jüdischen Unternehmer Hermann Schuster 1906 mitbegründete Driburger Glashüttenwerk (im Ortsmund anerkennend-denunziatorisch „Judenhütte“ genannt) sowie die seit dem späten 19. Jahrhundert erfolgreiche Glashütte von Heinrich Becker (gegründet 1870). Die weitere Geschichte weist große Parallelen zu Boffzen auf: Niedergang während der Weltwirtschaftskrise, Aufschwung erst während der NS-Zeit, dann während der 1950er Jahre, schwierige Marktanpassungen in den 1960er Jahren, schließlich Schließungen der Mundblas-Glashütten in den 1970er Jahren – doch auch noch Erfolge bei Spezialprodukten, etwa dem Pressglas von Walther Glas.

Sorgfältig verpackte Glaswaren aus Driburg: Grundlage des prosperierenden Glashandels, Foto: Uwe Spiekermann

Anders als Boffzen besaß Bad Driburg aber ein zweites Standbein, den Glashandel. Lokale Großhändler prägten den deutschen Markt seit der Jahrhundertwende, dominierten ihn dann bundesweit bis heute. Die Handelsmarke „Leonardo“ steht für viele andere Angebote der Region. Im Museum wurde dies kundig vertieft, durch höchst unterschiedliche Exponate nahegebracht. Daneben gab es natürlich vielfältige „schöne“ Glasstücke, nicht zuletzt Kristall- und Hohlglas, zahlreiche Dekorationsartikel, Vasen und Gläser. Ein seltenes Glanzstück war auch die lokale „Glasfahne“, mit der die Driburger Glasarbeiter ihren Standesstolz in Kaiserreich und Nationalsozialismus präsentierten.

Wer selbst vorbeischauen möchte, kann sich auf der Webseite (glasmuseum-bad-driburg.de) informieren. Geöffnet ist Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr; und das bei freiem Eintritt. Einen noch bequemeren Zugang erlauben mehrere neue von Friedhelm Macke und weiteren Ehrenamtlern erstellte Videos (900 Jahre Glasgeschichte in Bad Driburg (youtube.com)); Unser Glasmuseum und seine wechselvolle Geschichte (youtube.com). Auch Kinder wurden dabei nicht vergessen (Wie das Glas von der Maus ALEXANDRA erfunden wurde (youtube.com)). Die Boffenzer Glasfreunde verließen das Bad Driburger Glasmuseum dankbar und anerkennend – doch angesichts des in Boffzen von der Samtgemeinde geschlossenen eigenen Museums blieb auch ein wenig Wehmut.

Eine Stele erinnert an die Hütte Siebenstern der Glasmacherfamilie Familie Becker, Foto: Stefanie Waske

Gleichwohl, in dem im 18. Jahrhundert etablierten Glasmacherdorf Siebenstern gab es noch eine weitere Ortsbegehung. Siebenstern war der Ort einer Glashütte der Familie Becker, deren Verwandtschaft in Boffzen während der 1930er Jahre gebautes „Haus Siebenstern“ den Namen weitergetragen hat. Von der Hütte ist nichts mehr geblieben, doch weitere Bilder erlaubten eine gewisse Ahnung dieser für den kleinen südlich von Bad Driburg gelegenen Ort so entscheidenden Industrie, die durch Walther Glas noch lange fortgeführt wurde.

Abschlussfoto der Glasfreunde in Siebenstern. Foto: Stefanie Waske

Dieser Beitrag wurde mit Zustimmung von Herrn Uwe Spiekermann von der Webseite glas-in-boffzen.com übernommen.